
Fachtag „Mutig sein – Haltung zeigen“ am 7. November 2025 | Foto: Sarah Schüler/Hansestadt Rostock
Jugendamt setzt Zeichen für Demokratie
Rostock • Unter dem Motto „Mutig sein – Haltung zeigen“ lud das Rostocker Jugendamt am 7. November 2025 Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendhilfe zu einem Fachtag ein. Im Mittelpunkt stand der Austausch darüber, wie pädagogische Fachkräfte rechtsextremen Tendenzen bei Jugendlichen begegnen und in ihrer täglichen Arbeit demokratische Werte stärken können.
Katharina Blum, Diplom-Erziehungswissenschaftlerin, Moderatorin für Kinder und Jugendbeteiligung und Referentin bei Schabernack e.V., moderierte die Veranstaltung im Stadtteil- und Begegnungszentrum (SBZ) in Toitenwinkel. Angesichts der zunehmenden Begeisterung von Jugendlichen für rechtsextreme Inhalte wollte das Jugendamt zusammen mit lokalen Partnern ein deutliches Zeichen setzen, erläutert Miriam Pilz, Leiterin des Jugendamtes. Miriam Pilz: „Die aktuelle Entwicklung darf uns nicht gleichgültig sein. Unsere Arbeit ist von Grund auf politisch. Wir möchten jungen Menschen vorleben, dass Demokratie keine Bedrohung, sondern ein Gewinn für uns alle ist. Wir müssen zuhören, wo andere ausgrenzen und aufstehen, wo andere schweigen.“
Dr. Eric Mülling von der Hochschule Neubrandenburg zeigte anhand aktueller wissenschaftlicher Studien auf, wie rechtsextreme Akteure gezielt versuchen, Einfluss auf Kinder und Jugendliche zu nehmen. „Die soziale Rechte nutzt die Sozialarbeit als einen vorpolitischen Raum. Dort, wo sie sich zurückzieht, z.B. im ländlichen Raum, füllen rechte Angebote die Lücke auf. Rechte Themen sollen nach ihrer Ansicht in die Mitte der Gesellschaft getragen werden.“ Anhand vermeintlich harmloser Plakate für Ferienlager, Sportangebote oder Kinderfeste verdeutlichte er, wie subtil rechtsextreme Gruppierungen um gesellschaftliche Akzeptanz werben.
Auch Prof. Dr. Karin Böllert von der Universität Münster griff diese Thematik auf und wies auf eine zunehmende politische Instrumentalisierung der Kinder- und Jugendhilfe hin. Sie verwies auf die wachsende Zahl Kleiner Anfragen aus der Politik, die zunehmend genutzt würden, um Wohlfahrtsverbände und Nichtregierungsorganisationen unter Druck zu setzen. Böllert betonte, dass das oft zitierte Neutralitätsgebot ein Missverständnis sei: „Der Verweis auf das Neutralitätsgebot der Fachkräfte verkennt den Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe zur politischen Meinungsbildung. Die freien Träger sind auch Grundrechtsträger.“ Daher müsse es Aufgabe der Gesellschaft sein, Fachkräfte in ihrem Engagement für demokratische Werte aktiv zu unterstützen.
Die Politikwissenschaftlerin und freie Journalistin Kira Heinrich machte in ihrem Vortrag deutlich, mit welchen Strategien die extreme Rechte im Internet agiert. Sie zeigte auf, wie rechtsextreme Akteure gezielt Symbole und Icons einsetzen, sich untereinander vernetzen und Desinformationen verbreiten, um insbesondere Kinder und Jugendliche zu erreichen und zu beeinflussen. Mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz erreiche diese Entwicklung eine neue Dimension: „KI-generierte Inhalte machen es Nutzerinnen und Nutzern zunehmend schwer, zwischen echten und manipulierten Informationen zu unterscheiden“, so Heinrich.
Neben den Fachvorträgen bot ein „Markt der Möglichkeiten“ Gelegenheit zum Austausch mit lokalen Partnerinnen und Partnern. Im Foyer des Stadtteil- und Begegnungszentrums präsentierten sich unter anderem der Kommunale Präventionsrat, das Büro für Bürgerbeteiligung, der Verein Rat und Tat, die Evangelische Akademie der Nordkirche sowie die Präventionsstelle der Polizei Rostock.
Im Anschluss konnten die Teilnehmenden in sechs Workshops gemeinsam diskutieren und Erfahrungen austauschen. Im Mittelpunkt stand dabei immer wieder die Frage, wie Fachkräfte rechtsextremen Haltungen und Hass im Alltag begegnen können und welche Unterstützung sie dafür benötigen.
Ulrich Kunze
Quelle: HRO-News.de | Rubrik: Bildung | Di., 11.11.2025 00:00 Uhr | Seitenaufrufe: 0